Nachspielpreis des Heidelberger Stückemarkts für «Ode» von Thomas Melle

«Ode» von Thomas Melle erhält in der Inszenierung von Rafael Sanchez am Schauspiel Köln den Nachspielpreis des Heidelberger Stückemarkts 2022.

Eine Gruppe Menschen aus der Kunstszene schaut mit Sonnenbrillen in die Ferne
© Krafft Angerer

‹Ode› ist eine Ode an die Kunstfreiheit. An die Leidenschaft, das Uneindeutige, das Spiel.

(Süddeutsche Zeitung)

In der Laudatio von Björn Hayer bei der Preisverleihung des 39. Heidelberger Stückemarkts heißt es: «Obwohl der Titel nach schöngeistiger l’art pour l’art klingt, zeigt er scharfzüngig die tiefen Risse in Gesellschaft und Kunst auf, die allen voran aus den identitätspolitischen Diskussionen der letzten Jahre hervorgegangen sind. Während die einen mehr sprachliche Sensibilität für diverse Formen der Andersartigkeit einfordern, sehen andere darin einen neuen Normrigorismus begründet. Thomas Melle lässt die konträren Positionen immer wieder miteinander kollidieren und flankiert den Streit durch Witz und Ironie.» Rafael Sanchez‘ Inszenierung vom Schauspiel Köln «ist ein radikaler Entwurf, der das Publikum zur nachhaltigen Reflexion der Problemstellung in all ihren Facetten stimuliert. Was darf und muss Kunst leisten? Und wie befördert man eine Liberalisierung der Gesellschaft, ohne neue Ausgrenzungsmechanismen zu etablieren? Das Schauspiel Köln erhält den diesjährigen Nachspielpreis, weil es auf diese und ähnliche Fragen gerade keine eindeutigen Antworten gibt.» 

Über die Uraufführung von Ode am 20.12.2019 am Deutschen Theater Berlin (Regie: Lilja Rupprecht) schrieb der Tagesspiegel: «Ode gehört zu den klügsten Theatertexten der Saison – mindestens. Denn es dekliniert das Sujet auf einem Niveau durch, das nicht nur kulturbetriebliche, sondern auch höchste soziologische Diskursfitness und -finesse verrät: ein seltener Glücksfall.» 

Das Stück wurde bereits mehrfach nachgespielt, u. a. am Schauspiel Frankfurt (Regie: Anne Bader), Landestheater Linz, Österreichische Erstaufführung, (Regie: Peter Wittenberg), Staatstheater Saarbrücken (Regie: Milena Mönch), Stadttheater Bremerhaven (Regie: Manon Pfrunder) und am Burgtheater (Kasino) Wien (Regie: András Dömötör). 

Nominiert für den Nachspielpreis war ebenfalls In den Gärten oder Lysistrata Teil 2 von Sibylle Berg in der Inszenierung von Christina Tscharyiski vom Düsseldorfer Schauspielhaus

Ode

Wie frei ist die Kunst? Was kann, was darf, was muss sie sein? Ist sie «Interesseloses Wohlgefallen» (Kant) oder politisches Vehikel, staatstragend oder subversiv, «Safe space» oder gefährlich? Und wen interessieren diese Fragen überhaupt außer abgehobenen Eliten in weltfremden Theorie-Blasen, während auf den Straßen längst die «Wehr» patrouilliert, ein Zusammenschluss «Verantwortungsvoller» Bürgerinnen und Bürger, die immer lauter Recht und Ordnung fordern, Verständlichkeit und Brauchtum statt Fremdheit und Ambivalenz?

Emotional aufgeladen prallen in Thomas Melles Stück die unterschiedlichsten Haltungen aufeinander. Die Privilegien weißer Westeuropäer treffen auf das Einklagen von ethnischer Diversität, Shitstorms werden losgetreten aufgrund einer verdächtigen Formulierung, das Nachdenken über Identität wächst sich zu identitären Bewegungen aus, strenge Grenzkontrollen durchziehen den Diskurs, als teilten sie verfeindete Nationalstaaten.

Nur scheinbar verhandelt Ode die hochgereizten, hypernervösen Debatten des Kunstbetriebes, denn schnell wird klar, dass Kunst keineswegs ein Neben-, sondern der Hauptschauplatz ist, das Herzstück unserer demokratischen Gesellschaft, deren Grundsätze und Werte offenbar plötzlich zur Disposition stehen.

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