© Johan Persson / ArenaPAL
In weiter Ferne
(Far Away)
Deutsch von Bernd Samland
2D / 1H
EINS: Die kleine Joan übernachtet bei ihrer Tante, kann aber nicht schlafen. Sie hat Schreie gehört – nur der Schrei einer Eule, tröstet die Tante. Doch Joan hat gesehen, wie ihr Onkel Menschen in einen Schuppen gebracht hat – Freunde, mit denen er eine Party feiert, so die Erklärung. Doch warum ist alles voller Blut? Die Menschen sind Flüchtlinge, bei denen man bisweilen durchgreifen müsse, wird Joan beruhigt … Je bohrender die Fragen, desto deutlicher offenbaren sich die Abgründe hinter dem Idyll.
ZWEI: Einige Jahre später. Die erwachsene Joan arbeitet in einer Hutmacherwerkstatt. Ihre ausgefallenen Kopfbedeckungen schmücken bei Schauprozessen die Köpfe der Verurteilten. Mit ihrem Kollegen Todd unterhält sich Joan über die Missstände ihrer Branche und darüber, wie schade es doch sei, dass die Hutkreationen immer nur einmal getragen werden, um sie danach mit den Leichen zu verbrennen.
DREI: Erneut sind ein paar Jahre vergangen. Weltweit herrscht Krieg. Joan ist auf Fronturlaub und besucht ihren Mann Todd, der bei Joans Tante Zuflucht gefunden hat. Sie berichtet von den Schlachtfeldern, auf denen ständig die Allianzen wechseln. Nationen, Berufssparten und Interessengruppen bekämpfen sich erbittert, und selbst die Tiere und das Wetter sind involviert.
«In weiter Ferne ist eine Horrorphantasie, in der der Schrecken alles durchdringt und nie zu fassen ist. Das Stück erzählt vom Nebeneinander, Ineinander friedlicher Alltäglichkeit und blanken Grauens ... Der Krieg ist zur stets präsenten Kulisse, zum Hintergrundgeräusch geworden ... Auch wenn im Horizont von Churchills Stück jede Gruppe, jede Ethnie Angehörige einer anderen Gruppe jederzeit umbringen kann, wird im Vordergrund etwas wie zwischenmenschliche Normalität behauptet. Das ist keine Polemik, sondern eine nüchterne Beobachtung, mit der Churchill an aus der Totalitarismusforschung vertraute Erkenntnisse anknüpft: Die Grenzen zwischen dem barbarischen Gewaltausbruch gegen das Fremde, den Feind und dem gemütlichem Privatmenschen verschwimmen.» (Der Tagesspiegel)
«Alles in Churchills Stück erscheint unwirklich, ‹in weiter Ferne› und doch vertraut: ein Albtraum in Nahaufnahme. Langsam bahnt sich unbenannt Bedrohliches an, das schließlich Konturen annimmt und Namen und Begründung erhält. Schließlich wird der Schrecken zur Gewohnheit oder auch: zum normalen Zustand, der so lange anhält, wie der Albtraum währt ... Ein Stück, das vieles offen lässt, aber vermeidet, ins Vage oder Beliebige abzugleiten. Eben darin besteht seine Kunstfertigkeit.» (Neue Zürcher Zeitung)
«Als genaue Beobachterin und mutige Poetin spiegelt und kommentiert Churchill die Realität nicht bloß, sie treibt sie in erschreckende Surrealität ... Ihre knappen Andeutungen und Verweise sind klar, stark und berührend einfach ... In weiter Ferne ist eine Moralität für das 21. Jahrhundert.» (Süddeutsche Zeitung)
30.11.2000 Royal Court Theatre, London (Regie: Stephen Daldry)
Deutschsprachige Erstaufführung
17.04.2001 Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin (Regie: Falk Richter)
Stück-Abdruck in Theater heute 04/2001
Die Aufführungsrechte für Amateur- und Schultheater stehen leider nicht zur Verfügung.