Elfriede Jelinek zum 21. Mal für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert

Die Mülheimer Theatertage haben die Nominierungen für den Mülheimer Dramatikerpreis 2022 bekannt gegeben. Aus dem Rowohlt Theater Verlag sind mit dabei: «Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!» von Elfriede Jelinek.

Foto Elfriede Jelinek
© Karin Rocholl

«Das Stück zur Pandemie. Wobei Elfriede Jelinek als das schlimmste Virus den Menschen selbst ausmacht: schlecht von und schlecht zur Natur. Ausgehend vom orgiastischen Après-Ski-Treiben im Tiroler Corona-Hotspot Ischgl kurvt die österreichische Literaturnobelpreisträgerin auf einer Piste aus Nachrichten, Gerüchten, Chats und Verschwörungstheorien durch das mediale Gebrabbel unserer Zeit. Der kalauerfreudige Satzslalom führt bis in die griechische Mythologie, seit je Nährboden für Jelineks Schreiben. So wie die Zauberin Kirke die Gefährten des Odysseus nach einem Gelage in Schweine verwandelt, mutieren auch auf der Bühne die Männer zu Schweinen. Dann geht es im Schweinsgalopp weiter in die Fleischfabriken à la Tönnies, wo neue Ansteckungsgefahr droht.
Es ist Jelineks 21. Einladung nach Mülheim. Man kommt an dieser hellsichtigen Gegenwartsaugurin auch in diesem Jahr nicht vorbei. Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen! ist eine bitterböse Pandemie-Kakofonie. Ein Text am erhöhten Puls unserer kranken Zeit. Die Hamburger Uraufführungsinszenierung von Karin Beier schenkt sich nichts. Sie stößt dahin vor, wo es eklig wird und wehtut.» (Christine Dössel in der Jury-Begründung der Mülheimer Theatertage)

Die Uraufführung war am 05.06.2021 am Deutschen Schauspielhaus Hamburg wurde gefolgt von der Österreichischen Erstaufführung 04.09.2021 am Burgtheater Wien (Regie: Frank Castorf). Im Februar 2022 hat das Stück in der Regie von Stefan Bachmann am Schauspiel Frankfurt Premiere. 

Die 47. Mülheimer Theatertage «Stücke 2022» finden vom 7. Mai bis zum 28. Mai 2022 statt.

Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!

Das Virus, die Gesellschaft und der Tod: In einer «Kakophonie des Irrsinns» (Nachtkritik) brandet der Wortschwall an Nachrichten, Analysen, Warnungen, Gerüchten und Verschwörungstheorien neu auf, der uns seit Beginn der Covid-19-Pandemie überflutet. Auch Bildwelten überlagern sich: Aus dem Superspreader-Event in Ischgl wird das Gelage von Odysseus und seinen Gefährten bei der Zauberin Kirke, die die Männer in Schweine verwandelt und in Fleischfabriken transportiert, wo weitere Ansteckungsgefahr droht. Rechtspopulismus und Antisemitismus treffen auf Bewegungen wie «Fridays for Future» oder «Black Lives Matter», und über allem schwebt die Frage, wie wir – nachdem wir aus dem Paradies vertrieben wurden – miteinander leben wollen, nicht zuletzt mit Blick auf unser Verhältnis zur Natur, die vom Menschen unablässig geschändet wird.

«Elfriede Jelinek greift entschlossen ins Medien-Mythen-Mutationen-Leben und bereitet es als abstoßend faszinierendes Zerrspiegelpanorama auf … so profund wie ironisch.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
«Die Verstärkung der Vielstimmigkeit einer Gegenwart, deren Übereinkünfte außer Kraft gesetzt wurden. In der Beschreibung dieses Sachverhalts war Jelinek schon immer einsame Meisterin.» (Der Standard)
«Seine tatsächliche Bedeutung wird das Stück erst entwickeln, wenn einzelne Wortfetzen sich schon wieder verflüchtigt haben … Und vielleicht werden wir dann im Rückblick noch viel besser begreifen, was dieser ‹Lärm› gewesen ist.» (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)

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