Erstaufgeführt: «Der lange Schlaf» von Finegan Kruckemeyer am Deutschen Schauspielhaus Hamburg

«Ein politisches Ereignis auf der Bühne» (Die Welt) - Philipp Stölzl bringt Finegan Kruckemeyers weltumspannendes Endzeitmärchen im Deutschen Schauspielhaus Hamburg zur deutschsprachigen Erstaufführung.

Inszenierungsfoto Der lange Schlaf
© Knut Koops

Die Regeln für den langen Schlaf, die wurden in Washington, Shanghai aufgestellt. In Berlin. Die finden wir auf der Landkarte. Aber der Preis für den langen Schlaf – der wurde in Lagos gezahlt. Und niemand weiß, wo man mich findet. Findet und sich bei mir entschuldigt.

Nicht Aktivismus wird die Menschheit retten, keine ambitionierten Regierungsprogramme und schon gar nicht die Flucht zum Mars, davon ist die junge Regierungsreferentin Emily überzeugt. Stattdessen: Nichtstun. Innehalten. Ein Jahr lang soll die Menschheit in Schlaf versetzt werden und die Natur zu ihrem Recht kommen. Und tatsächlich: Im Jahr des langen Schlafs erholen sich Fischbestände, wachsen Pflanzen wo vorher keine waren, verfliegt der Smog. Doch zugleich stürzen Häuser ein, Städte stehen unter Wasser, Straßenzüge geraten in Brand. Wer vor dem Schlaf arm war, ist hinterher noch ärmer, wer alt war, hat ein kostbares Jahr verloren. Welchen Preis sind wir zu zahlen bereit, um uns nicht ändern zu müssen? Und wer wird ihn zahlen?

«Ist dieses Manöver zur Rettung des Planeten weise oder diktatorisch? Wird es weniger Opfer kosten, als wenn alles weiterliefe wie bisher? (…) Ein toller Coup: thematisch aktuell und aufrüttelnd, glänzend gespielt und ein kollektiv herausfordernder Denkanstoß.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

 «Kruckemeyers Text ist ein ziemlich ambitioniertes Stück Theater. Das (…) von Beziehungen und Alltag erzählen will, von Technik und Forschung, von Einzelschicksalen, Tod, Weltuntergang und Visionen. Von Eifersucht und Gier, von Größenwahn, von Lügen und von Liebe (…) In sechs von Neonröhren umrahmten Kuben entwirft Philipp Stölzl feine, hochrealistische Miniaturen. Schlaglichtartig und erzählerisch zugleich skizziert er Einblicke in verschiedene Leben.» (die tageszeitung)

«Finegan Kruckemeyer wirft viele Fragen auf, so auch diese: Wie frei ist und sollte der Mensch sein in seinem Handeln? Was darf der Staat›​​​​​​​? (…) Philipp Stölzl bekommt diesen märchenhaften, episodischen und dabei so düsteren Dreiakter insgesamt gut in den Griff (…) Auch das divers besetzte Ensemble spielt stark. Wohltuend, dass der Regisseur es auch die komischen Momente auskosten lässt, denn eigentlich gibt es nichts zu lachen: ‹Es ist an der Zeit, dass wir uns ins Wasser entwickeln.» (ndr.de/kultur)

Die deutschsprachige Erstaufführung war am 20. Januar am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Im Mai 2023 hat Der lange Schlaf am Theater Oberhausen Premiere (Regie: Christoph Mehler).

Der lange Schlaf

Im Jahr 2030 lässt die fortschreitende Klimakrise den Nationen nur noch wenige Optionen offen. Ambitionierte Mars-Evakuierungsprogramme mit ungewissem Ausgang sind bereits in Planung, doch dann hat eine junge Politikerin eine geradezu revolutionäre Idee: Statt einen neuen bewohnbaren Planeten zu suchen, könnte man der Erde die Chance geben, sich zu erholen. Ein neu entwickeltes Gas soll die gesamte Menschheit für ein Jahr in Schlaf versetzen.
Während von Adelaide bis Los Angeles alles menschliche Leben zum Stillstand kommt, erobert sich die Natur verlorene Räume zurück. Die Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern, zwischen Alt und Jung, Macht und Ohnmacht wirken jedoch auch in dieser Auszeit fort. Als die Wirkung des Gases endet, zeigt sich, wer den Preis für die Weltrettung zahlt. In Bogotá verschanzen sich Luis und Ernesto vor marodierenden Kriminellen. In Lagos trauern Azibuike und Chidera um ihren Sohn, der in den überfluteten Straßen ertrunken ist. Wer vorher schon arm war, ist jetzt ärmer, wer alt war, hat ein kostbares Jahr verloren. Aber schon gibt es Stimmen, die eine Wiederholung des langen Schlafs fordern, ein regelmäßiges kollektives Innehalten, um den Rest der Zeit leben zu können wie zuvor.

Mit unaufgeregter Klarsichtigkeit und dabei zutiefst menschlich entwirft Der lange Schlaf ein weltumspannendes Netzwerk aus Menschen und Nationen und erinnert daran, dass wir selbst uns ändern müssen, um die Welt ändern zu können.

 

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