© Carl Bergmann
Für meinen Bruder
(Veljelleni)
Aus dem Finnischen von Stefan Moster
variabel, mind. 1D
Sie könnten entgegengesetzter nicht sein: Er, der schöne, umschwärmte Bruder, und sie, die hässliche Schwester, übergewichtig, einsam. Und doch teilen die beiden symbiotisch ihr Leben, in der gemeinsamen Wohnung wird sie Zeugin seiner zahlreichen Affären, folgt ihm auf Schritt und Tritt, kümmert sich aufopferungsvoll um sein Wohlergehen. Für andere ist sie stets die Außenseiterin, irritierende Begleitung des attraktiven Mannes, irgendwie ekelerregend, abstoßend. Anders ist es im Mikrokosmos ihres eigenen Zimmers, in dem sie Filmstars vergöttert und sich in Scheinwelten flüchtet. Hier erfindet sie sich selbst als begehrenswerte Frau, deren sexuelle Abenteuer denen ihres Bruders in nichts nachstehen. Aber je schillernder sie in ihren Fantasien lebt, desto schonungsloser geht sie in der Realität mit sich um und sieht ihre negative Selbstbeschreibung in der Ablehnung anderer Menschen bestätigt. Erst nach und nach entdeckt sie den Reiz eines unabhängigen, eigenständigen Lebens, in dem auch sie Akzeptanz findet.
E. L. Karhu lässt ausschließlich ihre Protagonistin sprechen, nur durch sie öffnet sich der faszinierende, manchmal verstörend-präzise Blick auf ein abgründiges Beziehungsgeflecht. Sie stellt die monströse Schwester gegen den gottgleichen Bruder, das voyeuristische Beobachten intimster Begegnungen gegen die Lust am Beobachtetwerden. Zuneigung und Abstoßung, Macht und Unterwerfung verschmelzen zu einem so grausamen wie fesselnden Spiel, dessen selbstzerstörerische Wucht jede Person, die sich den Geschwistern von außen nähert, verschlingt.
Uraufführung
16.04.2022 Schauspiel Leipzig (Regie: Elsa-Sophie Jach)
Auftragswerk für das Schauspiel Leipzig
Die Aufführungsrechte für Amateur- und Schultheater stehen leider nicht zur Verfügung.