© Karin Rocholl
Endlose Aussicht
1D
Jona sitzt in ihrer fensterlosen Kabine vor ihrem Frühstücksei. Zehn Tage Rundreise Karibik. Ihre Geschwister haben ihr diese Kreuzfahrt geschenkt. Nur dass die Reise längst vorbei ist. Und Jona noch immer hier sitzt: seit zwei Wochen? Oder drei? Das Zeitgefühl löst sich auf in diesen exotischen Gewässern. Und überhaupt: Was bedeutet Zeit, angesichts dieser endlosen Brühe da draußen? Denn selbst das Meer geht Jona inzwischen auf die Nerven. Sie erzählt, wie das ganze Elend anfing, wie der erste Passagier plötzlich zusammenbrach und an einem seltsamen Virus starb. Andere Opfer folgten. Seitdem steht das Schiff unter Quarantäne, darf nirgendwo anlegen und treibt auf dem Meer wie ein schwimmendes Tschernobyl. Jona ist Teil eines Luxusgefängnisses geworden, dessen «Insassen» sich langsam an die neue, monströse Normalität gewöhnen. Nur die Nahrungsvorräte werden allmählich knapp. Und ob Jona daheim noch ihren alten Job hat, ist ebenfalls recht ungewiss.
Buchstäblich auf engstem Raum, aber mit fast biblischer Wucht und begleitet von bitterböser Komik entfaltet sich in Theresia Walsers Monolog im Kleinen eine große Menschheitskatastrophe.
«Endlose Aussicht ist kein Corona-Stück. Aber die Seuche ist Anlass für eine Art Stillstand, in dem wir unser Leben neu durchdenken … Eine Nahaufnahme von uns selbst: Europa am Rande einer globalisierten Welt, in der wir die alten Helden noch zu Tode pflegen, während wir schon wissen, dass nach uns eigentlich nichts mehr kommt: ein werdendes Geisterschiff und Spaß dabei.» (MDR) «Ein wundervoller Text» (Süddeutsche Zeitung), «changierend zwischen süffig-provokanter Satire und Bermudadreieck-tiefer Abgründigkeit» (Theater der Zeit)
03.09.2020 Kunstfest Weimar (Regie: Judith Rosmair & Theresia Walser)
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