Gier nach Leben: «Sauhund» von Lion Christ uraufgeführt

«Ein fantastischer Schauspielabend für die Freiheit, eine Hommage an das schwule München der Achtzigerjahre» (Süddeutsche Zeitung): Am 05.06.2025 war die Uraufführung von Lion Christs Roman «Sauhund» an den Münchner Kammerspielen (Regie: Florian Fischer).

SAUHUND (c) Armin Smailovic
© Armin Smailovic

Ich fühl mich wie in einem Raumschiff. Da regnets Licht. Wie wild die Typen sich in aller Öffentlichkeit küssen, mir wird allein vom Zuschauen schwindlig. Es riecht wie in einer finnischen Sauna, in der alle Kette rauchen und süßliches Parfum benutzen. Ich weiß nur, wie ich mal sterben will: im Kitsch ertrunken.

«Sauhund» von Lion Christ

München, 1983. Flori kommt vom Land und sucht das pralle Leben, Glanz und Gloria, einen Mann, der ihn mindestens ewig liebt. Er ist ein unverbesserlicher Glückssucher und Taugenichts, ein Sauhund und Optimist. Im München von Franz Josef Strauß und Freddie Mercury, von erstickendem Biedersinn und wildem Hedonismus ist jeder eigene Schritt eine kleine Befreiung. Flori rennt vor seinen Eltern davon, vor seiner ersten großen Liebe, vor allen, die Erwartungen an ihn haben könnten. Er wirft sich in die Clubs und Klappen, die heimlich zweckentfremdeten Ehebetten und Berührungen in aller Öffentlichkeit. 

Mit Sauhund setzt Lion Christ Flori und allen vergessenen Liebenden des ersten AIDS-Jahrzehnts ein rauschhaftes Denkmal. «Lion Christ schreibt ganz aus der Sicht eines jungen Menschen, mit großen, staunenden Augen … Mit einer rotzigen, koketten, jungen Sprache, die immer auch mit dem bayerischen Idiom spielt … und ganz feine Metaphern findet.» (Berliner Morgenpost)

«In den 90 Minuten seiner Inszenierung dreht Florian Fischer das Drollige ins Dringliche. Er braucht da oben, zuerst vor dem Vorhang und dann in einem Raum voller schwuler und auch aufrüttelnder Fotos, Bildzitate, nur drei Menschen für einen fantastischen Theaterabend … Dieser Abend bleibt nicht in der Erinnerung kleben, er setzt vielmehr aus dieser heraus dem drohenden Ende der Wokeness etwas entgegen. Es geht ja nicht ums Schwulsein allein, sondern um alles, was dem Heteronormativen, auch dem Prüden und Faden, entgegensteht. Nicht gewollt ist.» (Süddeutsche Zeitung)

«Ein Roman ist kein Theater ist kein Roman. Und deshalb will die Uraufführung von Lion Christs Debüt Sauhund nicht einfach nur erzählen. Sie will Zeugenschaft ablegen, Dokument sein, Erinnerungsräume schaffen, denn die 80er Jahre waren eben nicht nur Jeanslook und Denver Clan, Dauerwelle und Petula Clark. Sie stellten eine Zäsur im gesellschaftlichen Aufbruch der sexuellen Befreiung dar.» (Nachtkritik)

Uraufführung
05.06.2025 Münchner Kammerspiele (Regie: Florian Fischer) 

Sauhund ist erschienen im Hanser Verlag