«Dschinns» von Fatma Aydemir auf der Bühne – und beim Radikal jung Festival 2023

«Selten wurden in der neueren Literatur die Qualen einer über Generationen vererbten Entmündigung und der Befreiung aus ihr so überzeugend geschildert.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) - Fatma Aydemirs großer Familienroman «Dschinns», der 2022 für den Deutschen Buchpreis nominiert war, ist derzeit am Nationaltheater Mannheim (Regie: Selen Kara) und am Maxim Gorki Theater Berlin (Regie: Nurkan Erpulat) zu sehen.

Szenenfoto "Dschinns" am Nationaltheater Mannheim (c) Maximilian Borchardt
© Maximilian Borchardt (Szenenfoto Nationaltheater Mannheim)

Irgendwas ist kaputtgegangen irgendwann. Oder verloren gegangen. Irgendwo hat sich eine Lücke aufgetan, und jetzt liegt Stille darüber. Weißt du, was ich meine?

«Dschinns» von Fatma Aydemir

Im Juli 2022 wurde Dschinns am Nationaltheater Mannheim uraufgeführt (Regie: Selen Kara), die Inszenierung wurde u. a. zum Radikal jung Festival 2023 am Münchner Volkstheater eingeladen. Am Maxim Gorki Theater Berlin inszenierte Nurkan Erpulat im Februar 2023 den Roman – weitere Produktionen sind in Vorbereitung. 

Uraufführung am Nationaltheater Mannheim

«Fatma Aydemir erzählt in ihrem großen Roman eine Familiengeschichte, die zum einen eine sehr besondere ist und zum anderen eine universelle. Jeder und jede im Publikum gleich welchen Alters und gleich welcher Herkunft kann Anknüpfungspunkte für sich finden. Zu viel auf einmal? Keineswegs … Das liegt an der unwahrscheinlichen Leichtigkeit, mit der Selen Kara Aydemirs Roman auf die Bühne bringt … Ihr Theaterabend ist wie ein Spielfilm, mit ständigen Schnitten, packenden Dialogen und einem sorgfältig konzipierten Soundtrack (Musik: Torsten Kindermann). Und, bei aller Tragik – es durfte auch gelacht werden. Vor allem, natürlich, über die Deutschen.» (Die Rheinpfalz)

«Gerade im ersten Teil wird Dschinns mit nachgerade umwerfender szenischer Eleganz und Leichtigkeit des Tons inszeniert, immer wieder blitzt da auch Humor auf, der die eigentliche Schwere des Sujets durchbricht.» (Mannheimer Morgen)

«Der Regisseurin Selen Kara gelingt ein gleichermaßen unterhaltsamer wie zu Herzen gehender Abend.» (taz) 

Hier geht es zum Trailer der Produktion am Nationaltheater Mannheim
 

«Dschinns» am Maxim Gorki Theater Berlin

«Romane, deren Lektüre noch frisch ist und die einen kraftvoll hineingesogen haben in die einzelnen Figuren, für die Bühne adaptiert zu sehen, ist mit einem hohen Risiko behaftet. Aber diesmal geht es gut. Die Stückfassung, die der Regisseur Nurkan Erpulat und der Dramaturg Johannes Kirsten nach dem Roman Dschinns von Fatma Aydemir für das Gorki Theater entwickelt haben, transportiert viel von den Emotionen des Romans. Auch das Spiel lebt von der genauen Beobachtung, mit der die Autorin die zwischen Erwartungen und Vorurteilen sich verengenden Handlungsspielräume in der Familie ausgeleuchtet hat. Die Dialoge transportieren viel von der Verzweiflung, aber auch von dem Witz, mit dem sich die vier Geschwister einen Weg aus dem Erwartungsdruck suchen. Der kommt einerseits von ihren aus der Türkei nach Deutschland gegangenen Eltern und andererseits von dem Blick auf ‹die Türken› von deutscher Seite.» (taz)

«Erpulat hält seine Inszenierung in der Schwebe zwischen harter Realität und Traumtanz. Alle hier suchen einen Weg, mit den beschnittenen Möglichkeiten ihres Lebens zurechtzukommen, sich die eigenen Sehnsüchte zu gestatten und irgendwie doch noch Wurzeln zu schlagen … Wenn man sich nun Familie als ein Gebilde aus Geschichten vorstelle, sagt Peri an einer Stelle, dann seien Dschinns vielleicht die Wahrheiten darin, die man nicht ausspricht. In der Hoffnung, dass sie einen dann in Ruhe lassen. Wie trügerisch diese Hoffnung ist, davon erzählt Nurkan Erpulats melancholisch grundierter, durchweg großartig gespielter Abend am Gorki.» (Tagesspiegel)

«Die Wucht der großen Themen, von denen kaum eins ausgelassen wird, macht den Roman mitreißend und tragisch: Die Zerrissenheit ‹zwischen den Kulturen›; das Nie Dazugehören, der Verlust von Herkunft und Identität zuerst der kurdischen, dann der türkischen. Der Rassismus in Deutschland, das Behandeltwerden als Menschen zweiter Klasse; aber auch der Zwang zur Loyalität, der der jungen Generation alle eigenen Wünsche verbietet.» (Nachtkritik)

Hier geht es zum Trailer der Produktion am Maxim Gorki Theater

Der Roman ist erschienen im Hanser Verlag

«Dschinns» von Fatma Aydemir

Dreißig Jahre hat Hüseyin in Deutschland gearbeitet, nun erfüllt er sich endlich seinen Traum: eine Eigentumswohnung in Istanbul. Nur um am Tag des Einzugs an einem Herzinfarkt zu sterben. Zur Beerdigung reist ihm seine Familie aus Deutschland nach. Fatma Aydemirs großer Gesellschaftsroman erzählt von sechs grundverschiedenen Menschen, die zufällig miteinander verwandt sind. Alle haben sie ihr eigenes Gepäck dabei: Geheimnisse, Wünsche, Wunden. Was sie jedoch vereint: das Gefühl, dass sie in Hüseyins Wohnung jemand beobachtet. Voller Wucht und Schönheit fragt Dschinns nach dem Gebilde Familie, den Blick tief hineingerichtet in die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte und weit voraus.

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