«Aktuell und zeitlos»: Michel Decars Monolog «Rex Osterwald» uraufgeführt

Das Stück zum Superwahljahr und darüber hinaus: Am 27.04.2021 war als «Zoom-Premiere» die Uraufführung von Michel Decars Monolog Rex Osterwald am Residenztheater München (Regie: David Moser, mit Lukas Rüppel in der Titelrolle). Die «Live-Theater-Uraufführung» ist noch frei.

Michel Decar
© Constantin Rieß

Für Deutschlandfunk Kultur hat Michel Decar Rex Osterwald als Hörspiel inszeniert (hier mit Wolfram Koch in der Titelrolle), die Ursendung war am 05.05.2021. Online abrufbar ist das Hörspiel noch bis zum 05.11.2021 über die Mediathek des Senders.

«Hier spricht ein Psychopath, der gern Verführer wäre. Schlimmer noch: Rex Osterwald – so hat Michel Decar das Monstrum genannt, das da um die Stimmen von Wählerinnen und Wählern buhlt – lässt zwischendrin immer mal wieder und ganz zum Schluss komplett die freundliche Maske fallen. Da entpuppt er sich tatsächlich als ‹Tyrannosaurus Rex›‹ … Die Strategie, die Decar ihm mit auf den Weg gegeben hat, hat es in sich. Osterwald spielt die Rolle des ewigen Rattenfängers … Dass er in der immerwährenden Umarmung der zukünftigen Untertanen auch Militarismus, Nationalismus und die Verachtung aller anderen hochleben lässt, könnte vielleicht mit der Zeit gar nicht mehr auffallen … Wer mag, kann all die Weidels und Gaulands wiedererkennen, die die finstersten ‚Denk‘-Muster des Wahlvolks salonfähig machen … Aber auch alle Europäer sollen sich gefälligst entschuldigen bei denen, die ohnehin immer alles besser wussten, also uns, repräsentiert durch Rex Osterwald; denn der liebt uns ja alle. Wenn alles gut geht für ihn, gehört ihm morgen Deutschland – und übermorgen die ganze Welt … Ein fröhlich-finsteres Wahlkampf-Massaker hat Michel Decar herbei phantasiert – wir werden ab jetzt genauer drauf achten können, wer uns in den nächsten Monaten wie und womit zu überzeugen versucht; und genau hinschauen, ob Kandidatin und Kandidat eventuell Reißzähne im Maul haben.» (Die deutsche Bühne)

«Was als typische Wahlkampfveranstaltung beginnt, endet in Decars Stück in einem wahren Blutbad … Man kennt diese Auftritte, nicht nur von Donald Trump, auch von Sebastian Kurz und Emmanuel Macron, von Boris Johnson und Markus Söder. Rex inszeniert sich als Volkstribun, als einer, der die Menschen bei sich und ihren Problemen abholt. Ein Kümmerer und Versteher, der in Wahrheit ein Raubtier bleibt … Rex Osterwald ist zum Teil erschreckend nah an unserer aktuellen politischen Wirklichkeit dran. Zugleich wahrt das Stück aber auch eine Distanz, die es zeitlos macht. Denn letztlich ist einer wie Osterwald austauschbar. Viel entscheidender ist die Neigung des Menschen, den T-Rex im Raum zu ignorieren.» (Nachtkritik)

«Politiker genau diesen Zuschnitts gibt es längst nicht mehr nur in stark nach rechts gerückten Gruppierungen, sondern in nahezu allen Parteien des bürgerlichen Spektrums …, die gerne mal vom ‚moralischen Kompass‘ schwafeln, aber immer nur ihre eigene Perspektive gelten lassen … Es macht richtig Spaß dabei zuzusehen, wie Regisseur David Moser und Rex-Darsteller Lukas Rüppel allmählich das Tempo anziehen und der Monolog sukzessive zur verbalen Maschinengewehrsalve wird … Der kluge, anfangs so harmlos und launig anmutende Text von Michel Decar hat es in sich, und er beleuchtet die Funktionsweisen von Politik und Macht sehr genau.» (Münchner Merkur)

Michel Decar

Michel Decar

Michel Decar, 1987 in Augsburg geboren, studierte Germanistik und Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er auch auf der Studiobühne seine ersten Stücke selbst inszenierte, und anschließend Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin.
Seither arbeitet er als Autor, Regisseur und Filmemacher.

Zusammen mit Jakob Nolte hat er Theaterstücke auch unter dem Namen Nolte Decar geschrieben, von denen er Das Tierreich – wie viele seiner eigenen Stücke – außerdem als Hörspiel inszeniert hat.
2020 produzierte Deutschlandradio/Deutschlandfunk Kultur zudem sein Originalhörspiel Die besten Sprüche aller Zeiten.

Prosawerke: Tausend deutsche Diskotheken (Roman, 2018, Ullstein Verlag), Die Kobra von Kreuzberg (Roman, 2021, Ullstein Verlag), Kapitulation (Roman, 2023, MÄRZ Verlag)

Filme: Europa zum Beispiel (Kurzfilm, 2020), im Wettbewerb des Filmfestivals Max Ophüls Preis

Preise und Auszeichnungen:

  • 2012 Förderpreis für neue Dramatik des Stückemarktes im Rahmen des Berliner Theatertreffens für Jonas Jagow
  • 2013 Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlin für Das Tierreich (Nolte Decar)
  • 2014 Kleist-Förderpreis für sein Stück Jenny Jannowitz
  • 2014 Nominierung für den Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts für Das Tierreich (Nolte Decar)
  • 2017 Hörspiel des Monats (Januar) für Schere Faust Papier
  • 2019 Bayern2-Wortspiele-Preis für Tausend deutsche Diskotheken

Rex Osterwald

Es ist unfair und verletzend, dass die Presse Rex Osterwald ständig einen T-Rex nennt. Eine infame Lüge. Auch wenn Rex eindeutig ein T-Rex ist. Trotzdem: Gerade jetzt, im Wahlkampf, da Rex Kanzler werden will, sollen sich die Leute bitte ihre eigene Meinung bilden. Schließlich möchte Rex nichts Geringeres, als Deutschland wieder großartig zu machen. Raus aus dem Mief der Vergangenheit, hin zu einem Land des gemeinsamen Aufbruchs, der Liebe und der gerechten Regeln. Schluss mit dem Establishment, das sich in Hinterzimmern seine Pöstchen zuschanzt, Schluss mit der Bevormundung aus Brüssel, mit Antifa-Krawallos und Öko-Miesepetern, mit Überfremdung und kriminellen Clans. «Lasst uns dieser himmelschreienden Realität den Kampf ansagen», findet Rex Osterwald und will versöhnen und vereinen und wieder für gute Laune sorgen. Denn: «Wenn alle Deutschland lieben würden, hätten wir doch überhaupt keine Probleme.»

Michel Decars abgründiger Monolog entlarvt einen Politiker, der sich eigentlich gar nicht tarnt und dessen «Wohlfühlprogramm» am Ende nur in einem sehr ungemütlichen Blutbad enden kann.

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